Zum Bericht „Spielerisch Englisch lernen mit Mausi“ vom 9.
März. Bayerwald-Bote Regen
Englischunterricht im Kindergarten - sollen schon die
Kleinkinder das Werbe-Denglish der Wirtschaft verstehen, oder will man die Kinder
schon früh auf die Globalisierung vorbereiten?
Im Vorschulalter sollten andere Dinge vermittelt werden: die
Muttersprache, ein allgemeines Verständnis von der Welt und wie sie in den
Grundzügen funktioniert, soziales Verhalten, Rücksichtnahme, auch schon
Konflikt- und Teamfähigkeit, die Fähigkeit zu spielen, die Fein-und Grobmotorik
ausbilden, zu sehen, zu erkennen und darüber zu sprechen usw.
Wer die kleinen Kinder wirklich fördern will, der sollte
erst einmal die Gruppenstärken in den Kindergärten verkleinern. Noch immer
liegen diese bei 25 bis 30 Kinder in Bayern. In Berlin hatte man schon vor über
30 Jahren 15er Gruppen und eine Vorschulgruppe, die gezielt die Welt erkundete
(tägliche Spaziergänge durch Natur und Stadt). Zu Hause sprach man dann über
das Gesehene, las themenbezogene Geschichten und entsprechende Lieder, malte
und verarbeitete Konflikte in Rollenspielen. Die Kinder konnten zwar kein
Englisch, entwickelten dafür ein vernetztes Verständnis von der Welt, auf das
die Schulen aufbauen konnten.
Zum Bericht „Spielerisch Englisch lernen mit Mausi“ vom 9.
März. Bayerwald-Bote Regen
(Leserbrief zurückgezogen und mit dem modifizierten vom 11.3.
ersetzt, was ich aber nicht hätte tun sollen)
Englischunterricht
im Kindergarten, was für ein Fortschritt! Als gelernter Kindergärtner, Vater
und Großvater mit reichlich Kindergartenerfahrung möchte ich da ein paar
Anregungen loswerden.
Natürlich lernt man
im Vorschulalter leicht, auch Sprachen, doch sollten in dieser Zeit andere
Dinge vermittelt werden: ein allgemeines Verständnis von der Welt und wie sie
in den Grundzügen funktioniert, soziales Verhalten, Rücksichtnahme, auch schon
Konflikt- und Teamfähigkeit, die Fähigkeit zu spielen, Geschicklichkeit
auszubilden, zu sehen, zu erkennen und darüber zu sprechen und von mir aus auch
ein paar vorbereitende schulische Dinge, aber Englisch? Vermutlich halten die
Initiatoren es für Intelligenzförderung und meinen es zweifelos gut damit und
wie man in letzter Zeit so hört, bereitet das Kultusministerium da noch ganz
andere Dinge vor, etwa die frühere Einschulung.
Warum müssen wir
immer von einem Extrem ins andere fallen? Den Kindergarten, wie ich ihn
eingangs skizziert habe und wie ich ihn vor über drei Jahrzehnten in Westberlin
während Praktikas auch ausprobieren konnte, gibt es natürlich auch heute noch
nicht und wenn, dann nur ansatzweise, dank besonderem Engagement von einzelnen
Erzieherinnen. Als Mann hatte ich in Bayern übrigens keine Chance angestellt zu
werden (es gibt auch diese Art von Geschlechterdiskriminierung). Und was ich
dann selber über meine Kinder und Enkel von bayerischer Kindergartenarbeit
erleben durfte, war entmutigend. Da gab es die „Tanten“ die mit den Kindern nur
Kitsch und Papierkram bastelten und Gebete ratschten. Dann wurde es modern, die
Kinder nur noch spielen zu lassen und zu hoffen, dass die größeren die
kleineren fördern. (Ich kenne verbürgte Fälle wo angehende Erzieherinnen, die
mit den Kindern etwas machen wollten, aus den Teams geekelt wurden!) Und nun
soll Englisch gelernt werden, da raufe ich mir meine letzten Haare!
Doch die
Rahmenbedingungen haben nicht die Erzieherinnen zu verantworten, sondern die
meist kirchlichen Träger und die schwarze Politik. Gruppenstärken von 25 -30
Kinder, altersmäßig bunt zusammengewürfelt, das ist einfach nur Wahnsinn! Oder
die fünfjährige Ausbildung! Da ging es nur um billige Praktikanten für die
Träger und frühzeitige Abrichtung der Auszubildenden, an die Akademie darf man
erst, wenn man sich erst zwei Jahre rechtlos durchgebuckelt hat. Immerhin
werden heute die Vorpraktikanten wenigstens schulisch begleitet, wie oft hatte
ich das in Briefen ans Kultusministerium in den achtziger Jahren gefordert!
Doch bis in die neunziger Jahre hat man die Schulabgänger ohne einen Funken
pädagogisches Wissen zwei Jahre lang in die Gruppen gesteckt. In Berlin hatten
wir damals altersgestaffelte 15er Gruppen. Mit denen konnte man durch die Stadt
spazieren und die Welt erkunden, Wirtschaftsbetriebe aller Art besuchen (vom
Bauernhof bis zum E-Werk) und später dann das Gesehene durchsprechen, davon
malen und singen und Rollenspiele darüber machen. Unsere Kinder konnten zwar
kein Englisch, hatten dafür aber ein vernetztes Verständnis von der Welt, auf
das die Schulen aufbauen konnten. Dass Englischkenntnisse nicht mit Intelligenz
gleichzusetzen sind, beweist wohl die Realität. Die verbreiteten
Englischkenntnisse heute haben uns bei PISA nicht geholfen.